Uwe Seeler †

22.07.2022 - Zum Tode von Uwe Seeler.

Als ich als siebenjähriger Knirps mein erstes Fußballspiel im Fernsehen und darin Uwe Seeler sah, das WM-Finale 1966, da hatte der bereits einen Ruf wie Donnerhall. Einerseits als außergewöhnlich talentierter Fußballprofi mit der untadeligen Arbeitsauffassung, immer wirklich alles zu geben, was er hatte, und als einer der weltbesten Stürmer seiner Zeit. Andererseits, und das macht den Mann auch und gerade heute noch für uns interessant, als gradliniger, unbestechlicher Mensch, der eine Idee davon hatte, wer er war und wo er hingehörte. 1961 schlug er ein Millonenangebot von Inter Mailand aus und blieb bis zu seinem Karriereende 1972 bei seinem HSV, parallel baute er sich ein Existenz als Handelsvertreter für Adidas auf. Das wurde meist als Bescheidenheit interpretiert, er aber berief sich auf Vernunft: mehr als ein Steak könne man nicht essen, hatte ihm sein Vater mit auf den Weg gegeben.

Dafür liebten die Menschen Uwe Seeler. In einer Gesellschaft, die seit Jahrzehnten unter der Geiz-ist-geil-Knute des Neoliberalismus den Kopf einzieht, die lange von Menschen regiert wurde, die gegen wenige Cent Kostenvorteil pro Kubikmeter Gas oder Gallone Öl Grundwerte unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung als Verhandlungsmasse entwerteten und in der Superreiche in ihren klimatisierten Resorts für noch ein paar Millionen mehr auf eine zerstörte Umwelt, ausgerottetes Leben und ein unerträgliches Klima scheißen, ist die Verehrung für Uwe Seeler ein Statement, aus dem wir viel mehr praktische Konsequenzen für unser tägliches Leben herleiten sollten. Uwe Seeler stand dafür, wie wir uns einen Menschen in unserer Gesellschaft wünschen, und wie wir selber gerne wären. (Sein weitgehendes Scheitern als kurzzeitiger Präsident seines HSV war nur folgerichtig: als Goldfisch hatte er im Haifischbecken keine Chance.)

Ich bin kein HSV-Fan. Aber auch für einen Werderaner ist unübersehbar, dass hier trotz nur 1,70 Meter Körpergröße ein ganz, ganz Großer gegangen ist. Ruhe in Frieden, Uwe – und: Danke!