Tschulligung!

02.09.2012 - Im Clinch mit meinem Telefonanbieter...

Ich bin im Clinch mit meinem Festnetz-Telefonanbieter. Seit dem 29. Mai ist das Festnetz tot, und das geht auf einen technischen Fehler beim Telefonanbieter zurück, was dieser auch einräumt.

Der Name meines Telefonanbieters tut einstweilen - schwebendes Verfahren! - nichts zur Sache, und ich möchte mich auch gar nicht in den unerquicklichen Details dieser Angelegenheit ergehen. Es ist schlimm genug, daß ich meinen Anwalt diesen Dingen aussetzen muß. Aber der wird immerhin dafür bezahlt.

Allerdings ist mir ein Detail im Briefwechsel mit meinem Telefonverhinderer aufgefallen, das das Selbstverständnis bestimmter "Dienstleister" schlaglichtartig sichbar werden läßt, und das einige erhellende Betrachtungen ermöglicht. Da wird zu Beginn eines längeren Schreibens eingeräumt, daß da sehr wohl ein Problem vorliegt, und dann kommt der Satz: "Dafür entschuldigen wir uns!"

Wow! Da hätte man nach drei verstrichenen Monaten ohne Festnetztelefon, drei Einschreiben und Einschalten eines Rechtsanwwaltes ja nun nicht mehr mit gerechnet: man entschuldigt sich!

Ist ja wohl doch ein ganz umgänglicher Laden. Sind ja auch nur Menschen. Menschen machen Fehler, das muß man ihnen auch zugestehen. Kann ja nicht immer alles klappen. Sicherlich wird jetzt alles schnell gut.

Leider wird diese positive Stimmung schnell von der Realität eingeholt. Im weiteren Verlauf des Schreibens wird unmißverständlich klar, daß die Firma in der Sache eisenhart bei ihrer Position bleibt. Und diese Position sieht kurz gesagt so aus: Ich, der Kunde, muß u.a. eine verlängerte Vetragslaufzeit u.ä. in Kauf nehmen, bevor der Telefonanbieter das technische Problem, für das er eingestandenermaßen voll verantwortlich ist, beseitigt. Wenn ich das nicht will, kann ich ja dagegen klagen. Dann kann ich allerdings so um die zwei Jahre lang nicht telefonieren.

Diese Haltung paßt augenscheinllich so gar nicht zu der eingangs erwähnten Entschuldigung.

Natürlich trügt der Augenschein hier. Denn: was steht da eigentlich? Dafür entschuldigen wir uns! Können die das eigentlich? Hätte der Satz nicht korrekt "Dafür bitten wir um Entschuldigung!" lauten müssen? Entschuldigen kann doch nur der Betroffenen jemand anderen, der ihm gegenüber Schuld auf sich geladen hat. Wäre dem nicht so, dann wären z.B. die Griechen gegenüber ihren Gläubigern mit einem flotten "Wir entschuldigen uns!" ja flugs aus dem Schneider!

Umgangssprachlich ist "Ich entschuldige mich!" als Kurzform für das eigentlich kaum längere "Ich bitte um Entschuldigung!" schon recht weit durchgedrungen. In der noch reduzierteren Form "Tschulligung!" geht das ja in minder schweren Fällen auch völlig in Ordnung, etwa beim versehentlichen Anrempeln im Bus. Im vorliegenden Fall, der doch eine andere Dimension hat, erscheint mir, obwohl als Betroffener befangen, die sprachliche Ungenauigkeit doch reichlich fehl am Platze, übernimmt der Schuldner die Entschuldigung doch kurzerhand selbst.

Der Wandel der sprachlichen Form geht schleichend einher mit einer fatalen Änderung der Bedeutung, und die neue Bedeutung paßt eigentlich sehr gut zu den Realitäten. Eine Bitte um Entschuldigung wäre ja der Einstieg in einen Dialog auf Augenhöhe, und das ist das letzte, woran der Telefonanbieter gegenüber seinen Kunden interessiert sein kann. Das ginge schon allein physikalisch-nachrichtentechnisch nicht. Wenn man weiß, mit wie wenigen Angestellten große Telefonanbieter heutzutage welche Kundenmassen mit wie komplizierter Technik versorgen, dann ist klar: kommunizieren kann man nur noch mit Hilfe automatisierter, also vorgedachter Abläufe.

Und wenn etwas passiert, das nicht als Eventualität vorgedacht und dem Computer als Standardablauf vorab mitgeteilt wurde, dann wird das wie ein Schraubenschlüssel wahrgenommen, der in ein kompliziertes Getrieb fällt und dieses stört. Der Telefonanbieter hat kein Personal, das sich der Angelegenheit mit genügend Kompetenz (sachlicher Kompetenz und Entscheidungskompetenz!) annehmen könnte. Daher muß die Angelegenheit so schnell wie möglich wieder in die vorgedachten, dem Computer geläufigen (programmierten) Bahnen gelenkt werden, um den Schraubenschlüssel aus dem Getriebe zu entfernen.

Das alles erklärt, warum der Kunde das Gefühl haben muß, nicht für voll genommen zu werden. Aber letztlich hat er es ja nicht anders gewollt: der Kostendruck, der zu den geschilderten Zuständen führt, ist ja seiner Geiz-ist-geil-Mentalität geschuldet.

Daß dem Kunden die Geiz-ist-geil-Mentalität mit X Fantastillionen an Werbeausgaben erst mühsam anerzogen worden ist, daß man die, bei denen das nicht funktioniert hat, einfach in demokratische Mithaftung nimmt, daß man den Kunden vorab nicht darauf aufmerksam gemacht hat, worauf er sich für ein paar Dollars weniger einläßt, und daß der erreichte Zustand für den Endkunden unerträglich und inakzeptabel gleichermaßen ist - geschenkt!