Fujifilm Finepix X100

22.07.2012 - Meine Fujifilm Finepix X100

Fujifilm Finepix X100

Die Finepix X100 ist meine aktuelle Hauptkamera, die Kamera also, die ich mitnehme, wenn es absehbar etwas zu fotografieren gibt. Eine massiv gearbeitete Kamera mit APX-C-Sensorgröße, echtem optischen und optional elektronischem Sucher, die ein Obgektiv fester Brennweite, bezogen auf Kleinbildformat etwa 35mm, bei Lichtstärke 2 aufweist.

Diese Kamera ist einerseits toll, weist aber andererseits einige Skurrilitäten und unerklärliche Schwächen auf, die man bei einer ~1000-€-Kamera eigentlich nicht erwartet. Allerdings ist anzumerken, daß Fujifilm sich Mühe gibt, die Schwächen durch Firmware-Updates zu mildern. Mit der aktuellen Version 1.30 sind die gröbsten Argernisse auf erträgliches Maß zurückgeführt.

Einem Freund, sich ebenfalls die X100 kaufen wollte (und das dann auch gemacht hat), habe ich seinerzeit (Firmware-Version 1.10) diese Einschätzung der Kamera geschickt, die vielleicht auch für andere hilfreich ist:

_Die X100 ist eine sehr gute Kamera, was die Basisfunktionen angeht. Punkt. Daß es Sinn macht, eine Kamera mit Festbrennweite zu bauen, steht außer Frage. Die Bildqualität ist gigantisch gut, insbesondere bei availble light (besser gesagt: unavailable light, ISO 3200 ist noch gut nutzbar, ISO 6400 und 12800 immerhin brauchbar, dazu Lichtstärke 2.0!). Da hält sie locker mit den großen Spigelreflexen mit. Die Bildqualität ist auch (in den meisten Disziplinen) signifikant besser als die des direkten Konkurrenzmodells Leica X1 (1500 €). Aufgrund ihrer Konzeption eignet sie sich natürlich gerade für Street-Fotografie ("Henri-Cartier-Bresson-Fotografie"). Das Konzept der "analogen" Bedienelemente ist wirklich erfrischend und intuitiv, der APS-C-Sensor ist ein sehr vernünftiger Kompromiß zwischen Gestaltbarkeit der Tiefenschärfe und Gehäusegröße. Mit dem Gehäuse kann man Nägel in die Wand kloppen. Alles prima. Ganz besonders prima: der Hybridsucher! Da kannste sogar ein Echtzeithistogramm einspiegeln, und ein optischer Sucher guter Qualität ist unersetzbar. Überleg' mal, warum Du Dich für die Kamera interessierst: wegen dem optischen Sucher (Street-Fotografie)!_

Die X100 ist aber auch eine teure Kamera. Und da verwundern einige Fakten doch schon. Denn eigentlich kostet die Kamera 1230€: die (Kunst)Ledertasche (90 €) ist unverzichtbar, die Gegenlichtblende (nochmal 90€) mit 49E-Filtergewindering ist dringend zu empfehlen - das Objektiv hat eine gewisse Seitenlichtempfindlichkeit, und das Filtergewinde ist gerade bei Street-Fotografie für einen Polfilter nützlich -, und ein Ersatzakku (ca. 50€) ist auch keine schlechte Idee, denn bei intensiver Nutzung habe ich im Urlaub schon am Nachmittag mal kürzer treten müssen. Also: der reale Preis ist schon happig. (Ich habe aber auch noch keines der drei genannten Teile; Tasche und Gegenlichtblende mit Filteradapter sind schlicht nicht lieferbar.)

Und was einen dann leider bei einer komplett neu konstruierten Kamera mit diesem Preis und Anspruch auch nach Wochen und gerade in der konkreten alltäglichen Bedienung der Kamera - Bilder machen eben - echt nervt, sind einerseits die konzeptionellen Mängel der Kamera, und anderseits die total schlampig zusammengeschusterte und von gar keinem irgendwie gearteten - oder gar der Kamera selbst ebenbürtigen - Konzept beleckte Software.

Zuerst die konzeptionellen Schwächen:

Bei einer klassischen Filmkamera regelt man den Lichteinfall auf dem Film mit Blende, Verschluß, und Über- bzw. Unterbelichtungsregler. Punkt. Denn: der Film ist ja drin, und damit liegt ISO für die nächsten 24 oder 36 Aufnahmen fest. Dann kann man noch einen Filter aufschrauben, was natürlich auch Einfluß auf die Belichtung hat, aber das ist ein rein mechanischer Vorgang und daher entsprechend intuitiv.

Bei einer Digitalkamera liegen die Verhältnisse etwas komplizierter: da kann man zwischen jeder Aufnahme "den Film wechseln", also ISO verändern. Und im Fall der X100 kommt aufgrund der hohen Lichtstärke im Zusammenhang mit der Gestaltbarkeit der Tiefenschärfe und der minimalen ISO-Einstellung 100 (also nicht 50 oder 25) hinzu, daß man den sehr nützlichen und häufig gebrauchten ~-3-EV-ND-Filter zu- und wegschalten kann. Wohlgemerkt: der ist mechanisch-optisch - also nicht elektronisch am Chip -, aber rein intern, also nix mit schrauben und sofortiger Sichtbarkeit.

Und nun das Problem: es gibt zwar eine auch in schwierigen Verhältnissen halbwegs zuverlässig arbeitende ISO-Automatik, aber die unmittelbare Kontrolle, die bewußte Gestaltbarkeit der ISO-Einstellung ist nur bedingt gegeben, weil diese in den Tiefen des nicht eben logisch aufgebauten Kameramenüs verborgen und daher nur umständlich zugängig ist. Das gleiche gilt für den ND-Filter, der ebenfalls nicht mal eben so "on the fly" ein- bzw. abschaltbar ist. Ohne jetzt hier weiter ins Detail zu gehen, sei pauschal gesagt, daß das wirklich für einige häufig gebrauchte Einstellungen gilt. Man muß seine Aufmerksamkeit also häufig und nicht nur ganz kurz vom eigentlichen Objekt, das man abbilden möchte, ab- und der Kamera zuwenden, und das bei einer Kamera, deren Domäne konzeptionell die Street-Fotografie ist. (Das Ganze verschärft sich übrigens, wenn man dann noch zwischen Nah- und Fernbrille wechseln muß...)

(Der Vollständigkeit halber: man kann eine (in Zahlen: 1) Taste individuell belegen, und die ist per Vorgabe sehr sinnvoll mit dem Schnellzugang zur ISO-Einstellung belegt. Aber damit ist erst ein Problem entschärft, und das ändert nicht grundsätzlich etwas an der Kritik.)

Was mich unterm Strich echt ärgert, ist dieses: warum hat man sich bei der Konzeption der Kamera an ANALOGKAMERAS orientiert, und das mit (pseudo)mechanischen, sehr satt arbeitenden Drehreglern für Blende, Verschluß und Belichtungskorrektur auch umgesetzt, statt sich an dem Wesen von DIGITALKAMERAS zu orientieren, und zusätzlich einen Drehschalter für ISO (100, 200 bis 128000 plus Auto) sowie einen Schiebeschalter für den ND-Filter zu spendieren? WARUM? Weil die Kamera dann 30€ teurer geworden wäre? Geschenkt! Um wie viel besser, spaßiger, effizienter könnte das Arbeiten mit der Kamera sein!

Ein Punkt, der in die gleiche Richtung zielt: die manuelle Entfernungseinstellung per Drehring am Objektiv. Das darfst Du Dir nicht wie an Deiner alten Nikon EM vorstellen mit direkter mechanischer Kopplung und so. Der Drehring erzeugt nur elektrische Impulse, die auf den AF-Motor wirken. Einmal von extrem nah bis unendlich sind 5 oder so komplette Umdrehungen des Rings. Damit kann man also sehr präzise arbeiten, aber so richtig die direkte Verlängerung der Fingerspitzen ist das nicht. (Auch hier der Vollständigkeit halber: es gibt eine - leicht und intuitiv zugängliche - Taste, mit der man bei manueller Entfernungseinstellung AF einmalig anstoßen kann. Ich arbeite daher meist so, daß ich mit einmaligem Druck auf diese Taste erst einmal grob scharfstelle, und dann mit Drehen am Ring exakt nachjustiere. Das ist ok, aber auch das ändert nicht grundsätzlich etwas an der Kritik.)

Zuletzt die Software: die ersten Kameras wurden mit Firmware 1.00 ausgeliefert, eine Katastrophe! Nach wenigen Tagen mußte man einen Notfix nachschieben (1.01), weil es in bestimmten Situationen zu einem Totalblockieren der Kamera kommen konnte. Aktuell kann man 1.10 herunterladen, und auch mein Exemplar war schon ab Werk damit ausgestattet. In dieser Version hat man einige der übelsten Macken glattgezogen, was eben so ging, ohne die Software in weiten Teilen neu zu schreiben. Das Grundproblem ist, daß die Software nicht für die X100 neu geschrieben wurde, sondern von den preiswerten Fuji-Consumerkameras genommen und auf die Belange der ungleich leistungsfähigern und konzeptionell komplett andersartigen X100 umgestrickt und aufgebohrt wurde. Das erklärt einige der funktionalen Skurrilitäten, nicht aber die vielen echten Fehler und unvollständigkeiten. Leider muß ich sagen, daß ich, nicht oft, aber immerhin, schon einige Male im laufenden Betrieb in die Situation gekommen bin, daß gar nichts mehr ging, und ich den Akku einige Sekunden aus der Kamera nehmen mußte, um sie zu einem internen Neustart zu zwingen.

Es ist wie verhext. Einerseits erlebt man wirklich großartige Momente mit der Kamera, und genießt ihre vielen wirklich ganz starken Seiten (z.B. das Konzept der "In-Kamera-RAW-Entwicklung" (ab Mitte der Seite, Überschrift "~RAW conversion"), dann wieder regt man sich über die Umständlichkeit der einfachsten Sachen auf oder verzweifelt an unerklärlichen Schwächen (z.B. Scharfstellen im Nahbereich des Makro-Modus, 10-20 cm). Es ist irgendwie wie mit den Frauen: wenn man nicht so auf die pflegeleichten, aber eindimensionalen Blondchen steht, muß man sich halt - sowohl notgedrungen als auch aus Überzeugung ;-) - mit den schwierigen, aber immerhin atemberaubenden Brünetten herumschlagen. Und irgendwie spricht das dann wieder deutlich FÜR die X100.

Wenn du Detailfragen hast; Bei DPreview steht ALLES. Ich habe das gründlich VOR dem Kauf der X100 durchgearbeitet (ist einiges Holz!), und dann noch ein zweites Mal, nachdem ich mit der Kamera zwei Wochen in Österreich war, diesmal noch gründlicher. Ich habe da keine wichtigen Falschaussagen gefunden, und das Allermeiste präzise an der Kamera bestätigt gesehen.